LIGURIEN: Wie mag die Riviera früher wohl ausgese...

ALBENGA: Manhattan „alla ligure“?

Heute hatten die Maurer die letzten Zinnen auf den Mauerring seiner Dachterrasse verlegt. Die Arbeiten an seinem neuen Palast waren endlich beendet.

Stolz blickte der reiche Patrizier Antonello hoch über die Dächer der Stadt. Er hatte es also mal wieder geschafft. Sein Geschlecht besaß endlich – nach langen Jahren der Demütigung durch die verhasste Nachbarfamilie – wieder das höchste Gebäude der Stadt. Sogar noch höher als der Dom! Mehr als eine Canna* höher! Was doch eigentlich unterbunden werden sollte!

Antonello rieb sich voller Stolz die Fäustchen ob seiner genialen Idee, die Bauvorschriften zu unterlaufen. Den Pfaffen hatte er es aber gezeigt!

Es war ja so, dass der Klerus Einfluss auf die Bauhöhe von neuen Stadtpalästen genommen hatte, da die Kirchen hinter den Türmen  der weltlichen Paläste verschwanden. Das sei Gotteslästerung! 

Lächerlich!! Aber was sollte man schon machen! Offiziell wollte sich niemand in der Stadt mit dem Klerus anlegen. Alle einflussreichen Familien des Ortes hatten sich deshalb – Zähne knirschend – verpflichtet, eine Obergrenze für zukünftige Wohntürme in der Stadt zu akzeptieren. Kein Wohnturm sollte demnach mehr als 5 Stockwerke haben. Das waren die neuen Bauvorschriften!
Antonello grinste noch einmal, während sein Blick hinunter auf die Gassen seiner Stadt fiel. Er hatte sich an die Absprachen gehalten! Sein neuer Palast hatte ja nur 5 Stockwerke!

Aber war die Geschoss-Höhe vorgeschrieben worden! Ha! Eben nicht!

Und so hatte er von seinem gerissenen Baumeister jedes Stockwerk eben ein wenig höher als üblich bauen lassen: damit waren  die Vorschriften eingehalten, aber sein Palast doch höher als jeder andere in der Stadt! Mit solch einer List hatte niemand rechnen können!

Das Ansehen seiner Familie war auf Jahre gesichert!

So – oder auch ein wenig anders – haben im 12. und 13. Jahrhundert viele reiche Adlige und Kaufleute gedacht: sie bauten alte, zur Verteidigung gedachte Wehrtürme um oder errichteten neue Gebäude. Diese dienten zu dieser Zeit meist jedoch nicht mehr der Verteidigung, sondern immer häufiger der Demonstration der eigenen Macht.

Es galt: je höher der Turm, desto größer war auch das Ansehen der Familie.

Besonders bekannt sind die Geschlechtertürme von Bologna und natürlich die der toskanischen Ortschaft San Gimignano, welche deshalb auch „Manhattan des Mittelalters“ genannt wird.

Aber besichtigt man einmal die Altstadt von Albenga, wird man durchaus zugeben müssen, dass das Attribut „Klein-Manhattan“ auch auf diese wunderschöne, ligurische Stadt zutrifft.

* Eine canna entspricht 2.5 passeti = 5 bracci = 2,91 Meter

GENUA: 
Die Erfindung der Farinata

Und das geschah – mit Sicherheit nicht genau – im Jahre 1284, als eine genuesische Galeere aufbrach, um einige Handelsschiffe auf ihrem Weg in die Levante zu begleiten. Dieser Küstenbereich war schon damals ein wichtiger Umschlagplatz für Orientwaren, die über den indischen Ozean und die asiatischen Karawanenwege herangeschafft wurden. Man wollte diese hier gegen europäische Erzeugnisse wie beispielsweise Tuche eintauschen.

Auf dieser Reise gerieten die Schiffe in einen heftigen Sturm. Wegen der tosenden Wellen und der heftigen Winde kamen die Schiffe in äußerste Bedrängnis. Auch auf unserer Galeere tobte das Chaos. Das Schiff wurde auf Wellenberge gehoben.Und fiel wieder zurück in die schäumende Gischt. Der Regen peitschte die Segel , die Planken knarrten und ächzten unter dem Wellengang, Die Seeleute an Bord – gewohnt der rauen See- beteten und hofften auf das Nachlassen der Urgewalten.

Auch im Inneren des Schiffes ging es drunter und drüber. Im Proviantraum wirbelten Fässer, Kisten und Säcke durcheinander. Vieles zerbrach, zerriss, so dass Getreide, Öl, Salz und die Hülsenfrüchte in ihren Fässern durcheinander gewirbelt wurden. Meerwasser drang in den Lagerraum und vermischte sich mit den knappen Lebensmitteln an Bord. Aber das war in diesen Momenten der höchsten Not nicht von Bedeutung. Nun kämpfte die Besatzung ums nackte Überleben.

Nach Tagen größter Anstrengung und Furcht beruhigten sich Wetter und Seegang. Langsam kam Ordnung in den Tagesablauf. Die schwersten Schäden wurden repariert.Doch noch lange nicht war die Gefahr für das Überleben gebannt.

 Zunächst musste die eigene Position ermittelt werden. Dies war in diesen Zeiten nicht so einfach, denn die Technik des Kompasses war noch nicht ausgereift und eine genaue Bestimmung der Längengrade unbekannt.

Somit musste man Zeit gewinnen – und genügend Verpflegung für die Männer auf dem Schiff bereitstellen. Bei genauer Bestandsaufnahme des Proviantraumes erkannte man dann die Katastrophe:viele der mitgeführten Lebensmittel waren verdorben und vom Seewasser aufgequollen. Einiges konnte gerettet werden und war auch noch genießbar. Nur das würde nicht reichen! Aber dann gab es Vorderschiffs diesen dicken, ekeligen Brei! Bei genauer Begutachtung dieser Masse durch den Proviantmeister wurde erkannt, dass es sich wohl um gequetschte und in Meerwasser gequollene Kichererbsen – auch ceci genannt – handelte. ‚Nicht sehr appetitlich anzusehen, aber besser als Nichts‘ haben sich wohl unsere Seeleute gesagt. Und so gab es diesen Brei von da an zu Mittag und zu Abend. In den darauffolgenden Tagen kam jemand wohl auf die Idee – sicher war es der Schiffskoch –, den Brei an Deck in der Sonne trocknen zu lassen, um den Geschmack zu verbessern. Also wurde er zu kleinen Fladen geformt  und auf dem Deck in der Sonne verteilt. In diesem Moment war der italienische Pfannkuchen – die Farinata (Farina=Mehl) – erfunden. Ganz offensichtlich war das damals entstandene Gericht in der Lage gewesen, das Leben der Seeleute auf ihrer Rückreise an die Riviera zu retten. Denn sonst würde es ja heute nicht diese leckere Spezialität geben. So erzählen es manche noch heute!

Auf jeden Fall konnte unsere Galeere wohlbehalten wieder in ihren Heimathafen zurückkehren. Was aus den anderen Handelsschiffen geworden ist, wissen wir nicht. Aber vermutlich haben auch sie ihre Reise fortsetzen können und möglicherweise ist es auch in deren Frachträumen zu ähnlichen lebensrettenden Geschehnissen gekommen.

Unser Schiffskoch war –  wie alle Überlebenden – sehr glücklich über seine Rettung, hatte aber die Nase voll von der Seefahrt und wollte von nun an nur noch das machen, zu dem er sich berufen fühlte: KOCHEN.

Am liebsten natürlich in seinem eigenen Lokal. Davon gab es aber in Genua schon sehr viele. Und so musste eine gute Geschäftsidee her! Warum nicht aus dem erfahrenen Leid einen Nutzen ziehen? Also entwickelte er die Zubereitung seiner Kichererbsen-Fladen weiter. Und da selbst an der Riviera die Sonne nicht immer scheint, kam er auf die Idee, die Fladen nicht nur in der Sonne, sondern auch im  Holzofen zu trocknen und zu backen. Die Geschäfte liefen gut!

Aber die Geschichte geht weiter!

Eines Abends wartete unser Gourmet-Meister in seiner Hafenkneipe im Porto Marina  auf Gäste. Da gesellte sich ein alter Fischer zu ihm und sie unterhielten sich bei einer Flasche Rosso über Gott und die Welt. Natürlich erzählte unser Schiffskoch auch von seinen Abenteuern auf See und von der glücklichen Rettung durch die Farinata. Da lachte der alte Fischer und erzählte ihm eine alte Legende, die sich auch um die ceci drehte.

Im Grunde genommen sei seine Geschichte doch ein alter Hut. Denn erfunden hätten die Farinata eigentlich schon die alten Römer. Diese hätten nämlich den Brei aus Kichererbsen auf ihren Schilden in der Sonne gebacken, um so eine einfache Mahlzeit ohne Unterbrechung ihrer Feldzüge zubereiten zu können. 

Für unseren Koch war klar, dass er diese Legende nicht weiter erzählen würde, schon wegen der Gefährdung der Exklusivität seiner Erfindung. Aber die Idee der Schildebackerei führte dazu, dass er seinen Kichererbsen-Brei nun im Holzofen auf einem Blech zubereitete. Da dieses Rezept ein großer Erfolg war, eröffnete er schon bald eine weitere Farinata-Trattoria im Hafen von Genua. Und so entstand die erste Fladen-Kette der Welt.

Die Farinate di ceci gehört wohl zu den ältesten Gerichten Liguriens und zählt traditionell zur Arme-Leute-Küche. Tatsächlich ist überliefert, dass dieses Gericht  schon im Mittelalter bekannt war. Seinen Ursprung soll es wirklich in Genua gehabt haben.

Die Farinata – ein unerwarteter und ungewöhnlicher Genuss. Ganz einfach hergestellt aus Kichererbsen-Mehl, Wasser, Olivenöl und etwas Salz kann man sie als Beilage oder noch besser als Snack – ganz frisch – mit einem Glas Rotwein genießen. Traditionell sollte sie natürlich in einem Holzbackofen gebacken werden.

Man kann es selber einmal versuchen. Die Farinata gelingt auch im heimischen Backofen.

Für 4 Personen:

Man braucht: 125 Gramm Kichererbsen-Mehl, ein Viertel Liter Wasser, einen Esslöffel Olivenöl, etwas Pfeffer und Salz.

Wasser, Öl und Kichererbsen ohne Klumpen-Bildung verrühren. Mit Salz und Pfeffer abschmecken. Mindestens zwei Stunden bei Raumtemperatur stehen lassen. Den entstandenen Schaum abschöpfen. Auf ein geöltes Backblech gießen, etwa 1 Zentimeter hoch. 25 Minuten bei 240 Grad goldbraun und knusprig backen.

Guten Appetit!

SAVONA: Una Festa Italiana

Die vielen Plakate am Straßenrand kündigen es an: der  Sommer ist da! Denn der Sommer ist die Zeit der Feste. Feste mit so wundervollen Namen wie „Festa del Fungo“, „Musica in Piazza“ oder „Sagra dei Fagiolini“.

„Genau dahin fahren wir“, sage ich dem Mann, der mir immer „La dolce vita“ beibringen will.

Gesagt, getan! Aber natürlich fängt alles mit einem großen Chaos an. Wild gestikulierend und streng mit der Lotsen-Kelle winkend werden wir in eine Parklücke am Straßenrand geleitet – gefühlt 20 km vom Dorf entfernt. Doch man hört und riecht schon – den Festplatz: mal die Dorfpiazza unter uralten Platanen, aber auch einfach der örtliche Fußballplatz – ist nicht mehr weit.

Und die Vorfreude steigt: es wird gutes Essen und guten Wein geben. Übrigens meist von den Mitgliedern der Ortsgenossenschaft „Pro Loco“ kredenzt.

Doch gemach! Wer essen und trinken will, muss zunächst Wertmarken erstehen. Der Erlös wird später zur Unterstützung eines Dorfprojektes eingesetzt.

Wichtig schauend und konzentriert verkaufen die Honoratioren Wertmarken, die „marche“, die man an verschiedenen Stationen gegen köstliche, meist lokal-typische Spezialitäten eintauscht – praktischerweise serviert auf Plastiktellern und in Plastikbechern.
Und schon während des Essen beginnt der eigentliche Höhepunkt des Festes: il ballo – der Tanz! Und so verwandelt sich die Piazza des Dorfes in einen riesigen Tanzsaal und der graue Asphalt in glänzendes Parkett. Das ganze Dorf ist auf den Beinen, Jung und Alt, Einheimische und Touristen schwingen das Tanzbein, zu Live-Musik und immer klassisch: Discofox, Walzer, Foxtrott, Rumba, Cha-Cha-Cha, Tango und – Formation!!! Ein Gesellschaftstanz – für die Meisten ein Muss! Ein Muss, das glücklich machen kann! Alle tanzen fröhlich, aber dennoch erstaunlich diszipliniert nach den Anweisungen des Vorsängers.

Und dann kommt er: Rudolfo Valentino – nur etwas gealtert! Ich werde nie den Glanz in den Augen des alten Mannes vergessen, der im Anzug, mit Einstecktuch und polierten Schuhen, zusammen mit vielen anderen die perfekte Formation tanzt, nachdem er zuvor allein und etwas verloren auf einer Bank gesessen hatte.