ALASSIO: Unsterblich Liebende

Wo die Liebe hinfällt…

Irgendwann interessierte auch uns dieses berühmte Pärchen:

Die Liebenden von Alassio

Wir wollten wissen, ob auch wir von ihnen in den Bann gezogen würden. Vielleicht könnten auch wir, trotz anhaltend großer Liebe zueinander, aufs Neue oder vielleicht sogar von einer noch tiefer gehenden Inspiration erfüllt werden.

Es musste doch etwas daran sein, wenn sich am Fest der Verliebten, dem Valentinstag, die Verliebten aus aller Welt hier verabreden ,um diesem Tag  den poetischen Rahmen zu verleihen.Sogar an all diejenigen, die nicht hierher kommen können, war gedacht: extra für sie wurde ein Briefkasten angebracht, damit dort Briefe mit den glühendsten Gefühlen aus aller Welt ankommen können.

Ja,… diesen Ort mussten wir unbedingt besuchen und so machten wir uns auf den Weg nach Alassio.

Lange muss man nicht suchen, denn der Ort ist leicht zu finden. Man fragt nur nach „il muretto“ – das ist das Mäuerchen, das 1951 aus einer Idee des Malers Mario Berrino entstand und auch heute noch die Touristen magisch anzieht. Dort verewigen sich seit Jahrzehnten mehr oder weniger Prominente mit Rang und Namen, indem sie individuell gestaltete Kacheln mit ihrer Signatur aufkleben lassen.

 

Zwar waren wir deswegen ja nicht gekommen. Trotzdem waren auch wir gleich infiziert von der Suche nach prominenten Namen. Wir fanden natürlich Ernest Hemingway und Zarah Leander und viele mehr. Aber mit der Zeit wurden uns die Personen immer unbekannter. Und als wir dann bei der italienischen Fußball-Nationalmannschaft sowie bei Christa und Claus aus Deutschland angekommen waren, konnten wir uns dann doch wieder unserem großen Ziel, dem Wunder der Liebe, zuwenden.

Denn da saßen sie… unsere Liebenden von Eros Pellini in Bronze gegossen!

Wir schauen sie uns lange an, die beiden jungen Leute mit ihren, von Tausenden von Liebenden blank gestreichelten Knien. Sie scheinen uns eher nachdenklich und verträumt als verliebt dreinzuschauen. Vielleicht denken sie ja noch darüber nach, wie schwer der Anfang und der Verlauf ihrer Liebe gewesen waren. Darüber, was sie alles erlebt und erlitten hatten, bis sie endlich in der Skulptur eines Bildhauers  hier in Alassio glücklich und vereint in der wärmenden Sonne Liguriens für immer und ewig aufs Meer schauen können. (was ihnen allerdings aufgrund der Bebauung leider schon heute nicht mehr möglich ist!)

Eine Liebesgeschichte rankt sich um die beiden – wie sie märchenhafter wohl nicht sein kann. Auch wenn es historisch nicht beweisbar ist, so ist es doch schön, daran zu glauben –an das Märchen der Liebe zwischen der Kaisertochter und dem Stallburschen. Einer Liebe, aus der das Geschlecht der Aleramiden und die Grafschaft Monferrat hervorgehen sollten.

Dabei begann das Leben von Aleram – vielleicht im Jahre 927 – gar nicht so vielversprechend. Seine Eltern hatten sich damals aus dem westfränkischen Teil Deutschlands auf die lange Pilgerreise nach Rom begeben. Sie waren sehr gläubige Christen und hatten die lange Reise wegen der Erfüllung eines Gelübdes auf sich genommen.

In jedem Fall waren sie bis Sezze, dem heutigen Sezzadio, im Piemont, gekommen, wo Aleram geboren wurde. Seine Eltern ließen ihn offensichtlich als Kleinkind dort zurück, wohl um ihm die Anstrengungen der weiteren Reise zu ersparen. Und sicherlich mit der Absicht, ihn auch wieder abzuholen!

Letztendlich blieb er aber als Waisenkind zurück. Seine Eltern sollen nämlich in Rom gestorben sein. In einem Kloster wurde der Junge aufgezogen und er wuchs zu einem kräftigen jungen Mann heran. Schon früh wurde seine Liebe zu den Pferden entdeckt und so wurde er ein guter Stallbursche. Da er immer unternehmungslustig und mutig gewesen war, führte ihn seine Suche nach Arbeit sogar bis in die Gegend der heutigen Emilia Romagna. 

Als eines Tages Kaiser Otto Brescia belagerte, befahl dieser den Gemeinden der Umgebung, Kriegsleute zu seiner Verfügung zu entsenden. Daher wurden alle jungen Männer, so auch Aleram, dem Heer des Kaisers überstellt. Hier kam er gut zurecht.Er lernte schnell die Sprache der Eroberer, was vielleicht mit seiner deutschen Herkunft zu tun hatte. Natürlich wurde er der Reiterstaffel zugeordnet und wurde aufgrund seiner hervorragenden Fähigkeiten bald auch der persönliche Betreuer der kaiserlichen Pferde.

Mit der Zeit lernte er viele Persönlichkeiten von Rang und Namen in hoher Stellung kennen. Aber das beeindruckte ihn nicht besonders – zunächst auch nicht dieses reizende, junge, adelige Mädchen, das täglich ihren Schimmel zum Ausritt beim ihm abholte und ihm schüchterne Blicke zuwarf. Gesprochen hatte er nie mit ihr, denn es waren immer Pagen oder Zofen in ihrem Gefolge. Aber ihren Namen hatte er schon einmal gehört. Sie wurde wohl Adelheid genannt.

Die Zeit verging. Eines Tages bemerkte Aleram, dass sich seine Gefühle zu diesem jungen Mädchen veränderten.Denn nun freute er sich plötzlich jeden Morgen auf die Begegnung mit ihr. Vielleicht konnte er wieder einen Blick von ihr erhaschen! Bald war er sich ganz sicher, dass auch seine Blicke erwidert wurden. Eines Morgens geschah das Unglaubliche! Als er ihr die Zügel des Pferdes reichte, streifte ihre Hand die Seine. Er erstarrte zu Eis und dennoch erglühte er wie das Feuer am abendlichen Herd. Adelheids Blick hielt dem Seinen eine Ewigkeit stand. So kam es ihm jedenfalls vor! Von diesem Moment an entbrannte das Feuer der Liebe in ihm, wild und ungestüm. Seine Nächte waren schlaflos und er sehnte den nächsten Morgen herbei. Wenn sie nicht kam, litt er große Qualen Irgendwann bemerkten auch andere die Veränderungen in seinem Wesen. Der alte Stallknecht Piero  nahm ihn eines Tages bei Seite. Er habe wohl bemerkt, dass Aleram das junge Fräulein Adelheid mit Liebesaugen anschmachten würde. Ob er wohl den Verstand verloren hätte, denn er wüsste wohl nicht, wer sie sei. Die Worte „Sie ist des Kaisers Tochter“ trafen ihn wie die Keule des Feindes. Des Kaisers Tochter war für ihn als Stallbursche unerreichbar! Das war das Ende der aufkeimenden Liebe. Er glaubte nicht mehr, weiterleben zu können. Er wollte sich in sein Schwert stürzen oder …

In den folgenden Gefechten um die Stadt Brescia war Aleram einer der Furchtlosesten. Denn sein Leben bedeutete ihm nichts mehr. Adelheid versuchte er aus dem Weg zu gehen. Und wenn er sie im Stall dennoch traf, dann er traute sich nicht mehr, ihr in die Augen zu schauen.

Aber dann geschah das Wunder! Eines Abends, nach dem Absatteln des Schimmels, den ihm Adelheid übergeben hatte, fiel ein kleines Pergament zu Boden. Er hob es auf und las: „Heute in der 11.Stunde am alten Köhlerhaus.“ Die Gedanken überschlugen sich und sein Herz raste.Er hatte versucht, die Liebe zu ersticken. Aber nun war sie wieder da. Es gab nun kein Zurück mehr. Es konnte nur noch mit der Erfüllung oder dem Tod enden. Die Stunden wollten nicht vergehen. Doch dann schlich er sich in der Dunkelheit davon. Bei der verfallenen Köhlerhütte versteckte er sich in einem Gebüsch und wartete. Die Zeit stand still und die Angst, entdeckt zu werden, kroch in ihm hoch. Da am Waldrand sah er einen Schatten vorbeihuschen. Es konnte doch nur s i e sein! Und wenn nicht? Die Angst war groß, aber die Liebe war ein Riese. Er gab ein winziges  Geräusch von sich.Der Schatten reagierte sofort, bewegte sich in seine Richtung. Aleram schlich dem Schatten entgegen. Dann konnte er sie erkennen, obwohl sie in einen langen schwarzen Umhang gehüllt war. Selbst in der tief heruntergezogenen Kapuze erkannte er sofort ihr hübsches Gesicht. Ein Gefühl des grenzenlosen Glücks überkam ihn und – so schnell er konnte – lief er ihr entgegen. Es war wohl die Qual der unendlichen Entbehrung, die sie gegenseitig in die Arme fallen ließ.Schließlich rannen Tränen des Glücks über ihrer beider Wangen. Viel Zeit blieb ihnen an diesem Abend nicht. Schnell mussten sie sich wieder trennen, denn beide hatten Angst, dass man sie vermissen und nach ihnen suchen lassen würde.

Immer wieder wurden geheime Treffpunkte über zugesteckte Zettel angebahnt. Beider Liebe wuchs von Tag zu Tag, bis der Entschluss gefasst wurde, zu fliehen.

Dies war wohl der größte Liebesbeweis, den sich beide geben konnten. Denn dieser Plan war so gefährlich! Wenn er frühzeitig aufgedeckt würde, hätte das Aleram das Leben gekostet. Und Adelheid hätte ihr Leben in einem Kloster beenden müssen.

So schlichen sie sich irgendwann heimlich davon, bei Nacht und Nebel. Eine Königstochter mit ihrem Stallknecht verließ die Gegend bei Brescia mit gestohlenen Pferden und nur mit dem, was sie auf dem Leibe tragen konnten in Richtung Süden, in Richtung Alessandria, in dessen Nähe Alerams Geburtsort Sezze lag. Hier konnten sie sich Hilfe von Freunden erhoffen.Und fanden  vielleicht auch Schutz im Kloster, in dem er aufgewachsen war. Aber schon nach kurzer Zeit mussten sie weiter, denn der Kaiser versuchte mit Hilfe seiner Häscher alles, um seine Tochter wiederzufinden.

Die Liebenden entschlossen sich daher, durch die Gebiete von Asti und Alba weiter nach Süden in die Ligurischen Alpen zu ziehen. Dort in den Tälern und Wäldern würde sie niemand mehr finden können. Und tatsächlich – nach vielen Monaten – hatte sich ihre Spur verwischt. Die Berge waren nur mühsam zu durchqueren und so gaben die Suchtrupps des Kaisers irgendwann auf.

Aleram und Adelheid hatten sich inzwischen in einem abgelegenen Tal eine Hütte gebaut und begonnen, eine Köhlerei aufzubauen. Ihren Lebensunterhalt verdienten sie nun auf mühevolle Weise mit dem Handeln von Holzkohle, welche sie in den benachbarten Dörfern, so auch in der kleinen Ortschaft Alassio, anboten. Die Köhlerhütte war von nun an ihrer beider, der Kaisertochter und des Stallburschen, Existenz. Dort in der Abgeschiedenheit lebten sie viele Jahre und hatten vier Söhne miteinander.

Meistens leben die Protagonisten solch schöner Liebesgeschichten bis ans Ende aller Tage glücklich und zufrieden miteinander: unserer Königstochter und ihrem Stallburschen sollte aber das Schicksal im wahrsten Sinne des Wortes die Krone aufs Haupt setzen, denn …

Während sie zufrieden mit ihren Kindern ein glückliches Leben führten, begann Adelheids Vater, Kaiser Otto, abermals Krieg mit Brescia. Und wieder brauchte er Soldaten für seine Armee, die aus der Bevölkerung rekrutiert werden mussten. Nun ist Brescia weit entfernt von den Ligurischen Alpen, aber der Kaiser hatte Verbündete – wie den Bischof von Savona. Und so half ihm dieser bei der Verpflichtung von Soldaten. Auf diese Weise kamen Aleram und sein ältester Sohn in das Heer des Bischofs und somit erneut in das Heer Ottos I.

Diesmal war es Alerams Sohn, der das Schicksal der Familie maßgeblich bestimmte. Er kämpfte nämlich so tapfer und kühn, dass der Kaiser auf ihn aufmerksam wurde. Er erkundigte sich beim Bischof von Savona, wer denn dieser heldenhafte Soldat sei. Es wurden daraufhin Untersuchungen angestellt. Am Ende wurde dem Kaiser übermittelt, dass es sich um den Sohn einer gewissen Adelheid handelte…und dieser mutige, junge Soldat wohl sein Enkel sei.

Ist es verwunderlich, was im Vaterherz des mächtigen Kaisers geschah? Nun,er verzieh seiner geliebten Tochter Adelheid, die er für tot gehalten hatte.Und erkannte auch Aleram als seinen Schwiegersohn an. Der Familie schenkte er alles Land zwischen Turin und Genua – zwischen den Seealpen und dem Po- als Markgrafschaft. Daraus entstand dann die Markgrafschaft Montferrat mit der herrschenden Familie der Aleramiden. 

Diese Geschichte könnte als haltlose Phantasie bezeichnet, als reines Märchen angesehen werden, sie hat aber historische Hintergründe.

Die Gemeinde Alassio kam auf die Idee, die Geschichte aufzugreifen und zu vermarkten: ein Künstler ließ sich von der Legende inspirieren und schuf eine eindrucksvolle Skulptur. Die Menschen, die kommen, glauben an die Kraft der Liebe, die alles überwindet und Unmögliches möglich macht.

Denn wie man sehen konnte, konnten sogar Grafschaften daraus entstehen und vielleicht auch viele glückliche Familien.

Meine Frau ist keine Kaisertochter … nicht mal eine Prinzessin und ich kein Aleramid, aber es war schön, einmal hier gewesen zu sein und geträumt zu haben.

Hat der Zauber gewirkt?

Ach ja, das wollte ich Dir noch sagen, mein Schatz! Ich liebe dich!