DOLCEACQUA: Skandal? Adeliger fordert „Recht auf erste Nacht“!

Das geschah tatsächlich vor kurzer Zeit in Dolceacqua, dem idyllischen Städtchen im Hinterland von Ventimiglia, in der Burg des Markgrafen:

Mit vor Wut bebender Stimme wies der Herrscher seine beiden Burgwachen an: „Führt mir umgehend dieses unverschämte Bauernmädchen Lucrezia zu! Mir ist zu Ohren gekommen, dass diese heimlich und ohne mein Einverständnis diesen Bauerntölpel Basso geheiratet hat. Ha, die glauben wohl, mich um mein angestammtes „Recht auf die erste Nacht“ mit ein jeder Braut in meinem Herrschaftsbereich betrügen zu können! Das werden wir zu verhindern wissen. Eilt und zwingt Lucrezia in mein Schlafgemach! Der werde ich es schon zeigen!“

„Ius Primae Noctis, Szene 1, Klappe 3, Schnitt!“ rief der Regisseur dem Kameramann zu.

„Die Szene haben wir im Kasten!“

Gott sei Dank! Alles nur ein Film!

Tatsächlich, keine junge Braut in Dolceacqua muss die Wiedereinführung dieses barbarischen Gesetzes fürchten.

Wie die hier in Ligurien sehr bekannte Wochenzeitung „La Riviera“ berichtete, wollen der junge Filmemacher Andrea Iaconda und die Kulturinitiative „Artisti Liguri Indipendenti“ die traurige, aber wahre Geschichte des jung verheirateten Paares Lucrezia und Basso aus dem 14. Jahrhundert mit ihrem an Originalschauplätzen gedrehten Film in Erinnerung rufen.

Wie die Geschichte weitergeht?

Also, Lucrezia wurde tatsächlich mit Waffengewalt dem Tyrannen vorgeführt, wehrte sich aber so heftig, dass dieser sie aus lauter Wut in sein dunkles Burgverlies warf. Wo sie vor Hunger und Durst starb!

Verzweifelt ob des Schicksals seiner geliebten Frau beschloss Basso, sich zu rächen.

In einer dunklen Nacht – auf einem Karren unter Stroh versteckt – gelangte Basso in die Burg des Herrschers.
Leise schlich er sich ins Schlafgemach des Fürsten. Dieser wachte in seinem Bett auf, denn er spürte den Dolch Bassos an der Kehle.

„Bitte töte mich nicht! Räche dich nicht an mir!“ 

„O nein,“ sprach Basso, „ich werde mein Seelenheil nicht für dich aufs Spiel setzen. Aber glaube mir, du wirst dein Bett nicht lebend verlassen, wenn du jetzt nicht tust, was ich von dir verlange.“

Und so geschah es! Der Fürst musste ein Schriftstück aufsetzen, in dem er erklärte, auf das archaische ” Recht der ersten Nacht ” in Zukunft zu verzichten.

Alle Einwohner Dolceacquas freuten sich über den Sieg, den Basso über den verhassten Fürsten erzielt hatte. Besonders natürlich die Frauen!

Sie beschlossen ein großes Freudenfest zu feiern, auf dem sie auch ein neues Gebäck zu Ehren und zur Erinnerung an Lucrezia anbieten wollten.
Als sie nun nach der richtigen Form dieses Gebäckstückes suchten,  erkannte eine der durchaus drastischen Bäckerinnen plötzlich in einer der Teigformen die Andeutung des weiblichen Geschlechtes. „Das ist, was er wollte, aber nicht bekommen hat. Das nennen wir „Michetta!“

Und so wird nun Jahr um Jahr in Dolceacqua Mitte August das „Fest der Michetta“ gefeiert.

Und wie gut schmecken die „Michette“, die man auch außerhalb der Festtage in den Bäckereien Dolceacquas bekommen kann!