Die Pflanzen, die heute das Bild der ligurischen Riviera und französischen Cote d’Azur prägen, sind eindeutig die Palmen. Diese wurden aber erst Mitte des 19. Jahrhunderts hier eingebürgert. Ihre Urahnen stammen größtenteils aus Nordafrika. Auch die überall anzutreffenden Agaven, Orangen, Magnolien wie die verschiedensten Kakteensorten wurden importiert.
Dabei spielte der deutsche Agronom, Landschaftsgestalter und Gärtner Ludwig Winter eine wichtige Rolle. Er pflanzte dafür in den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts im Auftrag des englischen Sir Thomas Hanbury exotische Setzlinge aus aller Welt an.
Damit legte er die Grundlage für die Gestaltung zahlreicher öffentlicher und in der Folge auch privater Gärten.
Wohl wissend um diese grundlegenden Veränderungen im Landschaftsbild der Riviera machte sich der damals hoch angesehene deutsche Botaniker Eduard Strasburger in seinem Buch „Streifzüge an der Riviera“ um 1890 seine Gedanken zum früheren Aussehen dieser Gegend:
„Wie mag die Riviera ausgesehen haben, bevor die Cultur des Ölbaumes begann, als noch Palmen und Cypressen fehlten und der Wohlgeruch der Agrumi die Luft nicht erfüllte? Sie war bedeckt mit immergrünen Sträuchern, während dichter Nadelwald die Höhen krönte. Das Bild der Vegetation mußte ein ganz anderes sein; denn sein Aussehen war bestimmt durch Gesammteffecte, während der Charakter jener Landschaft, die wir jetzt für die italienische halten, auf dem wirksamen Hervortreten einzelner ausgeprägter Pflanzenformen und deren plastischer Sonderung beruht.
Wie bezeichnend für diesen Boden mehr als zweitausendjähriger Cultur, daß jene Gewächse, welche das Bild Italiens uns so lebendig vor die Seele zaubern, diesem Lande nicht ureigen sind. Sie kamen aus dem Orient, und …entfalteten und veredelten sich auf diesem Boden.
Die Citronen und Orangen erhielten die klassischen Lande von den Semiten, welche dieselben ihrerseits von den Indiern übernommen hatten. Der Öl- und Feigenbaum, der Weinstock und die Palme standen bei den Semiten in Pflege, lange bevor sie als Culturpflanzen siegreich nach dem Westen vordrangen. Der Cultus des Lorbeers und der Myrte gelangte von Osten her über das Mittelmeer. Die Cypresse hat nicht ihre Heimath in Italien, sondern auf den griechischen Inseln und auf dem Libanon; ja, selbst von der schirmförmig ausgebreiteten Pinie, der die Rauchwolke des Vesuvs wie zum Vorbild dient, hat man, doch dieses Mal mit Unrecht, bezweifelt, daß sie eine echt italienische Pflanze sei.
Und als wenn andererseits auch der große Culturimpuls, welcher von der Entdeckung der neuen Welt ausging, auf italienischem Boden in typischen Pflanzenformen verkörpert werden sollte, brachte er diesem die Agaven, die stacheligen, hellgrünen Opuntien, die so gut zu dem felsigen Strande Italiens passen, als wären sie für ihn von jeher bestimmt gewesen, sind thatsächlich erst im vierzehnten Jahrhundert von Amerika an denselben gelangt.“
Streifzüge an der Riviera
von
Eduard Strasburger
Verlag Gebrüder Paetel
Urheberrechtsfreie Ausgabe
Nachdruck des erstmals 1895 erschienenen Reiseberichtes des Botanikprofessors, der neben der Beschreibung von Land und Leuten auch eine Bestandsaufnahme der örtlichen Fauna enthält,
erhältlich bei Amazon Kindle.
Obenstehendes Zitat stammt aus diesem Buch.(S. 140 ff)